Karl Marconi
Die nach Rissen von Karl (Carlo) Marconi entwickelten Wasserfahrzeuge fallen durch Schönheit und gleichzeitiger Zweckmäßigkeit sofort ins Auge. Er verhalf durch seine innovativen Ideen dem Rennbootsport zu großen Erfolgen und sein Buch für jeden Bootsbauinteressierten erschien in 10 Auflagen.
- Biographie
- Stationen
- Typenverzeichnis
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Karl Marconi wurde am 26. Oktober 1897 in Wien geboren. Seine Eltern, der Wiener Hofrat Adolfo Marconi und die in Wien geborene Helene von Stoffella d´alta Rupe, zogen ihren Sprößling zweisprachig auf. Marconis wohnten abwechselnd in Trient (Trente) und Wien. Sein Vater war Trientiner, folglich war der richtige Name von Karl Marconi -> Carlo Marconi. In Wien ging er zur Schule, die Ferien verlebte er regelmäßig an den schönen oberösterreichischen Seen. Schon in jungen Jahren pflegte er den Rudersport auf der Donau. Den letzten Anstoß zu seinem Entschluss, sich dem Wasser zu widmen, gab ein langer Sommeraufenthalt an der Adria. Er wollte Seeoffizier werden, doch als er so weit gewesen wäre, hatte der für Österreich besonders unglückliche Ausgang des ersten Weltkrieges diesem Land mit dem Küstengebiet auch die Flotte genommen. Karl Marconi lakonisch: "Und so wurde ich Schiffbauer". Um es ganz klar zu sagen: Er wurde es. Er "beschloß" es nicht . . . , besuchte die Wiener Technische Hochschule, Spezialgebiet Schiffbau. Das Diplom erteilte ihm im Jahre 1921 die Technische Hochschule Berlin, nachdem er vorher schon als Praktikant auf der Schiffbau A. G. Weser in Bremen tätig gewesen war. Die dort herrschende feuchte Luft und der Großwerft-Betrieb wehten nicht spurlos an ihm vorbei, sie vertieften die große Liebe zu seinem Beruf.
Auch für ihn hatte der Weg zum Boots- und Kleinschiffbau die gleichen Gründe wie bei den meisten seiner Kollegen: In diesem Metier kann man die Objekte bis zur Fertigstellung allein bewältigen, wobei Karl Marconi noch seinen eigenen Charakterzug in die Waagschale warf, sich als "Eigenkrämer" zu bezeichnen, der sich nicht gern ins Handwerk und in seine Ideen hineinpfuschen läßt. Eine mittelgroße Werft in Pritschitz am Wörthersee war der erste "Job", den der junge Karl Marconi annahm. Dort war er von 1921 bis 1923 als technischer Leiter angestellt. Als es dem Betrieb nicht mehr so gut ging, zog es den an der Donau Geborenen an die Spree nach Berlin. Dort blieb er insgesamt zwanzig Jahre! Seine erste Anstellung in Berlin fand er als Konstrukteur bei der Yachtwerft Naglo. Am 07. April 1925 ließ er sich als freier Konstrukteur in Berlin-Spandau nieder. Karl Marconi heute über seine Arbeit: "Mein Hang schwankte zuerst in Richtung Segelboot, da aber zur gleichen Zeit die Motorisierung auf dem Wasser begann, hielt ich es für schlauer, mich auf die Motorboote zu spezialisieren. " Tat's - und machte sich hier einen Namen. Zwischendurch leistete er sich zwar einige "Rückfälle", zeichnete hin und wieder einige Segelboote, vornehmlich Jollenkreuzer, besorgte die Pläne für eine Reihe Umtakelungen von der Gaffel- zur Hochtakelung, stellte auch hier seine Kundschaft zufrieden, hatte sich aber insgesamt gesehen mit Leib und Seele dem Bau von Motorbooten verschrieben.
Unser Gesprächspartner macht einen kleinen Gedankensprung: "Daß einmal Zulassungssperren und ,Importe en qros' kommen würden, konnte ich damals nicht ahnen!", um dann wieder auf seinen weiteren Werdegang überzuleiten. Die Einführungszeit war für ihn ein Weg, auf dem es recht wenig Rosen, dafür umso mehr Dornen gab. Aber trotz bereits ansässiger Konkurrenz biß er sich durch. Soweit, daß er sich erst auf nationaler und dann schließlich auf internationaler Ebene das machen konnte, was man landläufig einen "guten Namen" zu nennen pflegt. Karl Marconi ging unter die Fachautoren. Ausgerechnet in der "Sauregurkenzeit" nach dem Börsenkrach in den USA verfaßte er die erste Auflage seines Buches "Wie konstruiert und erbaut man ein Boot?". Der Verlag Klasing brachte das "Erstlingswerk" sowie bis heute neun weitere Auflagen des schreibenden Konstrukteurs heraus. Viele Leser haben dieses Werk als Selbstbauanleitung verstanden, aber wie jeder gewissenhafte Ingenieur, so kann auch Marconi nichts vom Selbstbau halten - "Möbel und Schuhe ausgenommen".
Wie Marconi zu seinem Beruf stand und steht, wie er sich dafür einsetzte, ohne Furcht vor einer ihm eventuell erwachsenden Konkurrenz aus dem Nachwuchs, eben diesen Nachwuchs selbst zu schulen, mag diese kleine Episode verdeutlichen: Zu jener Zeit schloß die Lehrlingsschule der Abteilung Bootsbau in Berlin-Köpenick ihre Pforten. Karl Marconi mietete in Spandau für die Abende einen Schulsaal und erteilte den plötzlich ohne Aussicht auf weitere Berufsförderung gebliebenen Lehrlingen wenigstens den theoretischen Bootsbau-Unterricht. Die Miete zahlten sie alle gemeinsam. Daß er bei diesen Abenden über einen Mangel an Besuch nicht zu klagen hatte, sei nur am Rande vermerkt.
Den Schiffbauer Karl Marconi zog es nicht allein zu den Booten und Yachten. Er wandte sich auch größeren Objekten zu. Den Wasserfahrzeugen, die die Sportschifffahrt und Berufsschiffahrt benötigten. Sie wurden seine Kundengruppen. Bis vor dem zweiten Weltkrieg fuhren 24 von ihm konstruierte Fahrgastschiffe (zwischen 18 und 35 m), darunter auch einige als Dampfer, in Berlin selbst und ebensoviele Stromschlepper auf der Spree, Havel und Oder. Dazu kamen einige Behördenboote, Polizeiboote und weitere Fahrzeuge im See- und Küstendienst. Alle Marconischen Fahrzeuge zeichneten sich durch ökonomischen Betrieb, geringe Wellenbildung und praktische Inneneinrichtung aus.
Im Yachtbau beschäftigte sich Marconi mit der Konstruktion von Motorkreuzern und Autobooten für viele namhafte Unternehmen wie Mathan, Brumm, Engelbrecht, Bootswerft Markus Glas Seit 1924 besteht das Familienunternehmen Bootswerft Markus Glas GmbH in Possenhofen. Vor vier Generationen begann Markus Glas als gelernter Wagner mit dem Bau kleinerer Beiboote, Fischerkähne und Jollenkreuzer. Später kam der Bau von Cruising- und Rennmotorbooten hinzu, mit denen Dipl. Ing. Markus Glas, bereits in der zweiten Generation, viele internationale Titel und einen Weltrekord erlangen konnte. Mit Hilfe verschiedener Konstrukteure, meist Marconi, und diesen Erfolgen machten sich die Boote schnell einen Namen. Nicht nur weil sie schnell waren, sondern auch weil Optik und Qualität den Vorstellungen der Kunden entsprachen., um nur einige aufzuzählen. Marconi ist Mitte der 30-ziger Jahre auf der Höhe seines Schaffens. Die schweren Jahre des Kampfes um Arbeit und Anerkennung lagen nun hinter ihm. Motorboote jeder Art, Fahrzeuge für Behörden und Berufsschiffahrt entstehen in rascher Folge auf seinem Reißbrett. Seine publizistische Arbeit erweiterte er neben dem oben genannten Buch durch zahlreiche Aufsätze über technische und wissenschaftliche Grundlagen des Motorbootbaues und der Veröffentlichung seiner Konstruktionen in der "Yacht".
Über das folgende Kapitel mag Karl Marconi mit seinen Worten erzählen: "In den Schnell- und Rennbootsbau schlidderte ich fast ohne es zu merken. Was ich aber bald merkte, war die Begeisterung. Ich erwarb mir viele Dauerkunden - mit Dauersiegen. Ein paar Weltrekorde blieben auch auf der Km-Strecke an meinen Booten kleben. Der erste, der sich viele Jahre hielt, war der von Franz Pfennig mit einem Außenbord-Rennboot, dem ersten ganz in Sperrholz gebauten Boot. Das kam allerdings nicht von ungefähr. Ich hatte damals an der Erprobung und Einführung des eben geschaffenen wasserbeständigen Sperrholzes für den Bootsbau aktiv mitgearbeitet. Auf der Werft Brumm, jetzt ein sogenannter 'volkseigener Betrieb' in Ostberlin, bauten wir dann ein Einbaumotor-Stufen-Rennboot, über Wasser in Stromlinienform, ähnlich einem holländischen Holzschuh, und restlos aus Sperrholz. Zwecks Gewichtsersparnis und wohl auch zum erstenmal überhaupt waren auch die Spantrahmen aus Sperrholz ausgeschnitten und innen und außen mit Leisten "garniert". Sie ergaben jedenfalls beste Festigkeit. Wenn Sie es genau wissen wollen: Es handelte sich um das Rennboot 'Tom-Tom', das noch nach dem Kriege in Norddeutschland mehrere Siege herausfuhr.".
Gleichzeitig damit wurden nach den Entwürfen von Karl Marconi auf anderen Werften Außenbord-Tourenboote mit Sperrholzbeplankung (wohlweislich: nicht Beplattung) gebaut. Marconi dürfte auch unbestritten der erste Konstrukteur gewesen sein, der ein Boot mit Längsstufen auf dem Reißbrett und in der Werft entstehen ließ. Fünf Jahre lang wurde dieses Boot Abonnements-Sieger bei den verschiedendsten Rennen. Diese Methode kam etwa drei Jahre später (Karl Marconi: "Mir scheint, als Bumerang!") aus den USA wieder zurück, und zwar sehr geschickt mit scharfkantigem Klinkerbau verbunden. Ubrigens: Als um das Jahr 1930 die Vorschriften für die Außenbord-Bootsklassen, die bis auf den heutigen Tag nur unwesentlich abgeändert noch immer Gültigkeit haben, geschaffen wurden, gehörte auch hier Karl Marconi zu denen, die maßgeblich daran beteiligt waren.
Sei noch zu ergänzen, dass das von ihm konstruierte Gleitboot "R. V" für Paul Baatz einen großen Bekanntheitsgrad erreichte und damals das schnellste deutsche 12-Liter-Boot war. Die Erfolge sind auch der glücklichen Hand Marconis bei seinen umfangreichen Studien der Propeller- und Wellenbildung zu verdanken. Die gesamte in- und ausländische Presse schrieb über den Weltrekord des Autbordrennbootes Genz in der 175-ccm Klasse (A junior), welcher kurze Zeit später durch Franz Pfennig erneut eingestellt wurde. Auch der Deutsche Motoryachtverband hat sich die ehrenamtliche Mitarbeit Marconis gesichert. Er wurde zum amtlichen Vermesser des Deutschen Motoryachtverbandes berufen und übt bei allen motorbootsportlichen Veranstaltungen das ebenso schwierige wie undankbare Amt des Handikapers aus.
Worin sieht Marconi nun die Ursache seiner unbestrittenen Erfolge? "Es muß wohl daran gelegen haben, daß ich alles ganz genau nahm und mich stets bemühte, auch das Detail nicht zu vernachlässigen. Bei mir gab es das weitverbreitete 'Das macht nichts aus!' jedenfalls nicht. Das gibt es auch heute noch nicht." Die geschäftliche Seite seines Berufes ist ihm höchst unsympatisch. Er würde am liebsten den ganzen Tag Boote zeichnen und die fertigen Fahrzeuge seinen Freunden schenken, deren es eine große Zahl gibt.
Der Krieg sah den mit allen Wassern gewaschenen Karl Marconi anfangs auf dem völlig "falschen Dampfer" - nämlich bei der Infanterie. Dann allerdings fand man für ihn eine bessere Verwendung in Werften, die für Marine und Heer arbeiteten. Er sah sich bei der Transportflotte Speer. Was es heißt, mit den primitivsten Mitteln doch etwas zu schaffen, erfuhr Marconi, als er mit 90 ansässigen Russen in Jalta beschädigte Transportschiffe und lädierte Fischkutter reparieren mußte. Marconi: "Bei der Gelegenheit habe ich die sprichwörtliche russische Geschicklichkeit kennengelernt." Bei Kriegsende saß Marconi in Italien. Als Kriegsgefangener der Amerikaner. Halten konnten sie ihn allerdings nicht. Er "ging" aus dem Lager. Ohne Genehmigung. Ziel: Genua. In Italien ist er dann auch geblieben. Die ersten Jahre ohne europäischen Motorbootbau waren für ihn (er selbst: "Ein bißchen einseitig geworden ... ") nicht gerade einfach. Als Werkzeugvertreter schlug er sich durch. 1951 aber, als seine deutschen Freunde wieder Kontakt mit ihm suchten, um alte Verbindungen aufleben zu lassen, fand er den Weg zurück zu seinem Beruf als Konstrukteur. Seine Vertretungen ließ er "sausen". Nach und nach.
Wie arbeitet es sich als Deutscher in diesem Metier in Italien, wo man ja schließlich auch seine Bootsbauer boat builder - constructeur de bateaux ou canots - Строителъ лодокъ - fabricante di canotti o di imbarcazioni - constructor de barcas ó de boteс hat? Wie sieht es mit dem Konkurrenzkampf aus? Karl Marconi: "Glauben Sie's oder glauben Sie's nicht: In Italien bin ich als Boots-Konstrukteur so gut wie unbekannt. In all den Jahren habe ich ganze zwei Aufträge von italienischer Seite, und auch die nur als reine Zufälle, buchen können. Ein bißchen habe ich für die Schweiz gearbeitet, ein paar Aufträge auch für Österreicher ausgeführt. Diese wenigen 'Seitensprünge' abgerechnet, habe ich aber praktisch nur für deutsche Bootsfahrer und Werften gearbeitet. Trotzdem habe ich, wenn ich es mir heute ehrlich eingestehe, nicht genug in die Zukunft geschaut, da ich anfangs ja allein schon aus Deutschland mehr Aufträge hatte, als ich bewältigen konnte. Dann nämlich kamen die Zulassungssperren und die Importe. Das Ende vom Lied: Jetzt muß man eben auch mal magere Jahre in Kauf nehmen. Aber auch die lassen sich rumkriegen. Wozu ist man Optimist ... "
seine Stationen
von | bis | als | bei |
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26. Oktober 1897 | geboren in Wien | ||
? | 1921 | Studium Schiffbau- und Schiffmaschinenbau | Technische Hochschule in Wien |
1920 | 1921 | Praktikant (Begleitend zum Studium) | Schiffbau A. G. Weser in Bremen |
1921 | Diplom Schiffbau- und Schiffsmaschinenbau-Ingenieurfach (kein Schreibfehler) | Technische Hochschule in Wien (Übergabe des Diploms in TH Berlin) | |
1921 | 1923 | technischer Leiter | Richard Young in Pritschitz Wörthersee |
1923 | 1925 | Konstrukteur | Naglo Weinmeisterhorn Berlin |
07. April 1925 | ? | selbst. Konstrukteur | Berlin-Spandau |
1945 | 1951 | Vertreter für Werkzeuge | Genua Italien |
1951 | 1977 | selbst. Konstrukteur | Genua Italien |
Typenverzeichnis
Bezeichnung | Bootstyp | Werft | Bauzeit | Anzahl | Material | Motor | Maße (l x b x T) | Info |
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Berlin im März 2011 (dp)
Anmerkung der Redaktion:
Die hier niedergeschriebene Biographie basiert auf ein persönliches Interview, welches Carlo Marconi im Jahre 1975 gegeben hat. Seine Tochter, Renate Marconi, hat uns dieses Interview und auch sämtliches Bildmaterial in Original zur Verfügung gestellt. Klassik-Boote hat den Text an vielen Stellen auf Basis eigener Recherchen erweitert. Wir danken Frau Marconi recht herzlich für Ihre umfangreiche Unterstützung und die Überlassung eines seiner persönlichen Bücher mit handschriftlichen Notizen. Gabi und Peter Twelkmeyer (Marina Lanke) sowie Manfred Ernst Der Bootsbau in Deutschland wurde maßgeblich mitbestimmt von Theo und Manfred Ernst. Manfred Ernst war Wissenschaftler, Konstrukteur, Ingenieur, Designer und stellte perfektionistisch hohe Ansprüche an Innovation, Präzision und Ästhetik. Die nach seinen Rissen gebauten Boote fahren noch heute. Im Segelsport erwarb er mehrfach DDR- Meistertitel und Pokale. danken wir ebenfalls für einige ergänzende Informationen. Die Biographie ist hier nicht zu Ende, da während der Recherche anderer Werften stetig neue Informationen gefunden werden.